Aride
Wo die Natur noch urspünglich ist
Weit gefehlt, wer sich die Insel nach ihrem Namen (“die Trockene”) vorstellt. Das 68 ha große, 10 km nördlich von Praslin liegende Eiland entpuppt sich nämlich als sehr fruchtbar und steht - ebenso wie das vorgelagerte Korallenriff - unter Naturschutz.
Aride ist die nördlichste der hiesigen Granitinseln und misst etwa 1,7 km in der Länge sowie ca. 500 m in der Breite. Während das Korallenriff zu einem der beliebtesten Tauchgebiete der Seychellen zählt, ist die Insel nur von einem Verwalter sowie einigen Arbeitern und Biologen bewohnt, die sich dem Schutz der Insel- und Meeresflora widmen. Über 30, zum Teil sehr seltene Vogelarten mit insgesamt tausenden von Exemplaren nisten hier im dichten Buschwerk! Das sind mehr Arten an Seevögeln als auf allen anderen Granitinseln. Unter anderem findet man die Blaue Seychellentaube, die Ruß- und Feenseeschwalbe, den Schlankschnabel-Noddi, den Sturmtaucher, den Seychellenrohrsänger sowie Tropikvögel. Über der Insel kreist fast permanent eine Schar von Fregattvögeln, die hier viel Zeit verbringen, aber über 1.000 km entfernt auf Aldabra brüten. Drei Skink- und drei Gecko-Arten haben ebenso wie ein paar harmlose Schlangenarten auf Aride ihre Heimat. Am Strand trifft man auf zahlreiche Geisterkrabben, zudem kommen im Winter zwei Arten von Meeresschildkröten an Land und legen ihre Eier ab.
Üppige Vegetation überzieht die Insel: Kokospalmen gedeihen hier ebenso gut wie Laubbäume, Guaven, Bananen, Orangen, Papayas, Auberginen, Ingwer, Gelbwurz und Pfefferschoten. Die stark duftende Wright’s Gardenia als endemische Pflanzenart wird bis zu 6 m hoch und schmückt sich mit rot-weißen Blütenkelchen. Wegen ihrer kleinen, zitronenförmigen Früchte gaben ihr die Einheimischen den Namen “bwa sitron”.
Vor allem der Verkauf von Rußseeschwalbeneiern war lange Zeit ein sehr lukratives Geschäft, welches die Population deutlich schmälerte und neben anderen Einflüssen wie der Errichtung von Kokosplantagen das ökologische Gleichgewicht erheblich störte. Der britische Schokoladenfabrikant Christopher Cadbury kaufte 1973 daher die Insel und erlaubte von da an keinerlei weitere Eingriffe in die Natur. Seit 1979 ist Aride auch von Staatsseite zum Naturreservat erklärt, welches seit 2008 von der Island Conservation Society überwacht wird. Ähnlich wie in Bel Ombre auf Mahé sowie auf Moyenne wird auch auf Aride ein Piratenschatz vermutet. Sprengungen und Bohrungen haben bisher allerdings kein Gold oder anderes Wertvolles zutage befördert, und man ist nach einigen Versuchen wohl dazu übergegangen, das Eiland zurecht als Schatz an sich zu bezeichnen.
Nur das Boot der Inselverwaltung darf auf dem Sandstrand anlanden. Besucher, die mit Wasserfahrzeugen der Ausflugsanbieter von Praslin kommen (Überfahrt ca. 30 Minuten), müssen dementsprechend auf dem Meer in dieses Inselboot umsteigen. Naturliebhabern, Biologen und Tierfotografen sei eine Besichtigung des einzigartigen Refugiums unbedingt zu empfehlen. Für einen Tagesausflug kontaktiert man am besten die Hotelrezeption oder eine Reiseagentur vor Ort. In der Zeit von Oktober bis April wird die Exkursion mehrmals pro Woche angeboten, in den übrigen Monaten je nach Wetterlage.
Auf dem angelegten Rundwanderpfad kann man die vielfältige Natur Arides hautnah erleben. Die geführte, 2 km lange Tour startet am Haus des früheren Inselbesitzers und dauert etwa zwei Stunden. In Richtung Westen passiert man eine Bananenplantage, rechts kann man hier unter den Felsen die weißen Tropikvögel nisten sehen. Vielfältige Bäume, deren Früchte unter anderem der Versorgung der auf der Insel lebenden Menschen dienen, säumen den weiteren Weg, ebenso ein Süßwassertümpel mit Fischen, deren Herkunft bis heute Fragen aufwirft. Während man spaziert, trifft man immer wieder auf Eidechsen, die hier in hoher Dichte vorkommen. Der höchste Baum der Insel, ein Banyan, steht ebenfalls am Wegesrand und bietet etwa 1.000 Noddi-Seeschwalben eine Niststätte. Vielleicht gelingt es, an der weiter im Westen befindlichen Kreuzung den Gesang der Kardinalsvögel zu hören? Unter den Felsen gen Westen leben neben Krabben auch Schlammspringer, die in der Lage sind, den benötigten Sauerstoff sowohl dem Wasser als auch der umgebenden Luft zu entnehmen. Für den Gang auf den 134 m hohen Gros La Tête wird man oben mit einem traumhaften Blick auf das Meer sowie nach North, Silhouette, Mahé, Cousine, Cousin, Praslin, Curieuse, La Digue, Félicité, Marianne, Petite Soeur und Grande Soeur belohnt. Die Vielzahl an Vögeln, die den Berggipfel umkreisen, ergänzen die Kulisse auf höchst imposante Weise.
Folgt man dem Weg weiter in die linke Richtung, landet man am weißen Sandstrand, an dem man bei ruhigem Wasser die Kakatoi-Fische beobachten kann. Sie brechen mit ihrem harten Maul Stücke von Korallenskeletten ab und mahlen es mit ihren Kiefern. Genau diesem feinen Staub, der sich über Jahrtausende angesammelt hat, verdanken die Seychellen ihre weichen, weißen Strände. Strandregionen, die von Meeresschildkröten für die Eiablage aufgesucht werden, sind entsprechend gekennzeichnet und sollen selbstverständlich nicht betreten werden, ebenso wie auf der restlichen Wanderung nichts angefasst oder gar mitgenommen werden soll. Der Pfad führt weiter zum kleinen Inselfriedhof, den man von einer Besucherhütte aus sehen kann. Die sich von hier aus in nördlicher Richtung befindlichen Baumarten wie Mapou, Takamaka und Lafouche dürften einst die einzigen Inselbewohner gewesen sein.